17.05.2024
Zusatz zum Krieger-Denkmal -
Tag derKriegsdienstverweigerung
Umgestaltungsaktion
am Kriegerdenkmal in Clenze
2 Redebeiträge
siehe auch: Den Krieg verraten
Info-Tafel
Wir stehen hier an diesem Kriegerdenkmal in Clenze exemplarisch; genauso gut könnten wir auch in Hitzacker, Prisser, Krummasel oder Güstritz stehen, um nur einige Beispiele zu nennen. In vielen Orten des Wendlands finden sich Installationen wie diese. Und keineswegs nur im Wendland ist das so. Fast überall auf der Welt kann mensch auf etwas Vergleichbares stoßen.
Die Idee, die sich mit diesen Einrichtungen verbindet, ist überall ähnlich: durch dauerhafte Sichtbarkeit sollen im kollektiven Bewusstsein ganz bestimmte Erzählungen verankert werden. Vorstellungen von (in Klammern: männlicher) Ehre und Heldentum werden mit dem Konstrukt der „Nation“ in eine schier unauflösliche Verbindung gebracht, und der Verweis auf eine höhere, eine göttliche Macht schmückt das Ganze und soll ihm so etwas wie Weihe verleihen
„Wanderer, neige Dein Haupt vor Tod und Heldentum“
steht auf der Frontseite des zentralen Steins hier in der Mitte; wir sehen auf der einen Seite einen Helm, auf der anderen ein Kreuz. Links und rechts sind Namen, militärische Funktion und der Zeitpunkt des Todes von Soldaten des ersten Weltkriegs eingemeißelt. In die Metallplatten links und rechts eingegossen sind noch viel mehr Namen von Menschen, die bei Kriegshandlungen im zweiten Weltkrieg zu Tode gekommen sind.
Dieser Art des Gedenkens wollen wir etwas entgegen setzen. Heute ergänzen wir dieses Ensemble mit einer Infotafel; wir schlagen einen Pfosten ein und machen so deutlich, dass auch diese Tafel dauerhaft zu sehen sein soll:
Die hier verzeichneten Menschen
waren im Krieg, um zu töten,
und sie wurden getötet
Wir wissen nichts darüber, mit welcher Motivation die Einzelnen im Krieg unterwegs waren: Ob sie sich mit Begeisterung und Enthusiasmus daran beteiligt haben, anderer Leute Leben und Lebensumfeld zu zerstören; ob sie erfüllt waren von der Überzeugung, dass sie nicht nur das Recht, sondern sogar die Pflicht hätten, Feinde zu töten. Oder ob sie vielleicht vom ersten Tag ihres Militärdiensts an geflucht haben. Ob sie persönlich verurteilt haben, wozu sie sich durch Drill und Befehle gezwungen sahen.
Wir wissen auch nichts darüber, wie sie ums Leben gekommen sind. War es so, wie es in den Briefen von der Front häufig hieß, dass sie „im heldenhaften Kampf auf dem Felde der Ehre ihr Leben geopfert haben“? Für ein Vaterland / eine Nation, wo in einem angeblichen großen Wir alle Unterschiede verschwinden? Wo es ein selbstverständliches Recht gibt, den Feind zu vernichten? Oder sind solche heroisierenden Vorstellungen doch eher lediglich die nachträgliche Aufladung dafür, dass sie elendig verreckt sind?
Letzten Endes ist beides ohne Belang.
„Soldaten sind Mörder“ hat Kurt Tucholsky zu diesem Thema geschrieben. Die unmissverständlich zugeschriebene Funktion von Soldaten – so verstehen wir diesen Satz - ist der Auftrag zu töten. Wobei es keine Rolle zu spielen hat, ob sie das gern tun oder nicht. Denn genau das ist das Kennzeichen von Krieg als gesellschaftlichem Verhältnis, und auch deshalb stellen wir uns ihm entgegen: der Krieg fragt nicht danach, wie Du dazu stehst. Mit der Kriegserklärung macht die Regierung den Krieg zur Rahmenbedingung für alles und alle und unterwirft sie seinem Regime.
Wir erleben gerade eine Zeit, in der es bitter notwendig ist, auf diese Realität aufmerksam zu machen: eine große Mehrheit des Bundestags arbeitet an der Einführung eines Veteranentags; Frank Walter Steinmeier, der Bundespräsident, hat bereits vor zwei Jahren die Einführung eines allgemeinen Zwangsdienstes in die Debatte gebracht; Eva Högel, die Wehrbeauftragte der Regierung greift in ihrem neuen Bericht diesen Vorschlag nun auf und ergänzt ihn da um die Forderung, auch den Jugendlichen in den Schulen verstärkt den Gedanken nahezubringen, es sei notwendig und sinnvoll, sich militärisch zu rüsten.
Und das dafür zuständige Regierungsmitglied, der Minister der Verteidigung Boris Pistorius bemüht sich darum, die Bevölkerung einzustimmen auf Kriegstüchtigkeit.
Mit aller Deutlichkeit müssen wir dazu sagen:
- Wenn Rückkehrer*innen aus Afghanistan etwas wirklich brauchen,
dann ist das kein „Tag“, sondern Unterstützung bei der Bearbeitung
von posttraumatischen Belastungsstörungen! - wir wollen keinen Zwangsdienst!
- Die Bundeswehr hat in Schulen nichts verloren!
- Und allein den Begriff der „Tüchtigkeit“ kann mensch mögen oder nicht:
aber wenn überhaupt so etwas wie Können und Fleiß - oder was auch immer gemeint ist mit „tüchtig“ – wenn schon überhaupt irgendwelche Tugenden in Anschlag gebracht werden sollen, dann müssen die darauf gerichtet sein, zu einem guten Leben für alle beizutragen. Und ganz sicher passen sie nicht zu Krieg. Wir brauchen keine Kriegstüchtigkeit, im Gegenteil! Wir müssen lernen, friedensfähig zu werden.
Aus diesem Grund heißt es auf dieser Tafel, die wir hier anbringen, auch:
Nie wieder Krieg!
Eine andere Welt ist möglich.
Und nötig.
Mit unserer Ergänzung hoffen wir, dass dieser Ort ein anderer wird. Statt der Verehrung von Heldentum und dem Verlangen nach Kriegstüchtigkeit rücken wir die erinnernde Mahnung in der Vordergrund: lasst uns alles tun, um Kriege zu verhindern. Nicht Konkurrenz und Macht sollen das Leben auf der Erde bestimmen, sondern ein weltumspannend solidarisches Miteinander
Heute ist ein Tag,
an dem wir Verweigerung, Ungehorsam und alles,
was NEIN zu Militarismus sagt, hervorheben!
Wir wollen weder kriegstüchtig sein noch werden.
Wir sind Teil einer antimilitaristischen Gruppe hier im Wendland, mit herrschaftskritischen und antikapitalistischen Hintergrund. Heute am 15. Mai, dem internationalen Tag der Kriegsdienstverweigerung und der Deserteur*innen, möchten wir hier an diesem sogenannten „Krieger-Denkmal“ an die Deserteur*innen des 2. Weltkrieges erinnern.
Ungefähr 30.000 von ihnen wurden alleine durch NS-Justiz, Wehrmacht und SS ermordet. Wir würdigen ihren Mut, sich allem zu widersetzen, obwohl ihnen Repressalien bis hin zum Tod drohten. Es gab offiziell rund 20.000 Todesurteile, davon wurden ca. 15.000 vollstreckt. Die deutsche Wehrmacht ging herausragend brutal gegen verweigernde und kritische Menschen vor. So erschoss sie diese andersdenkenden Menschen teilweise auf offener Straße ohne Gerichtsverfahren. Viele der amtierenden Richter wurden nach Kriegsende nahtlos weiterbeschäftigt mit der Begründung, dass sie nach damals geltendem Recht urteilten.
Für nationalistische und geopolitische Interessen werden Menschen in kriegerische Auseinandersetzungen geschickt; sie werden gezwungen – und bei vielen braucht es anfangs leider nicht besonders viel Zwang – sich bereit zu machen zu töten und sich töten zu lassen. Das lehnen wir ab. Dagegen befürworten wir das universelle Recht auf Kriegsdienstverweigerung und Gehorsamsverweigerung gegen die herrschenden Mächte.
Während in den 50er und 60er Jahren noch wenig Kritik an der hier in Clenze anzutreffenden Art der Huldigung und des Gedenkens bestand, änderte sich andernorts die Sichtweise in den 70er Jahren. In den Vordergrund rückte das Gedenken an alle Opfer von Kriegen und Gewaltherrschaft. Sogar erste Deserteursdenkmäler wie beispielsweise in Hamburg konnten öffentlich eingeweiht werden. Seit der sogenannten „Zeitenwende“ ist deutlich zu sehen, dass diese Entwicklung stark zurückgedrängt wird.
Russischen Kriegsdienstverweigerern wird in Deutschland das Asyl verwehrt. Und mit der Weigerung, den hierhin geflohenen Männern im wehrpflichtigem Alter die Ausweise zu verlängern, bauen die ukrainischen Behörden Druck auf, um sie zurück ins Land zu holen und an die Front zu schicken. Das betrifft um die 250.000 ukrainische Männer. Wir fordern dringend, deren Lebensentscheidung zu respektieren und ihnen nötigenfalls Ersatzpapiere auszustellen.
Unsere Solidarität und unser Respekt
gilt allen Kriegstdienstverweiger*innen
und Deserteur*innen weltweit!
Wir kämpfen weiter für eine Welt,
in der weder Kriege noch Gewaltherrschaft möglich sind!